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Pflege in der Endphase des Lebens
Palliativmedizin:
Medizinisches Fachgebiet, das sich im Gegensatz zur kurativen Medizin
nicht mit der Beseitigung einer Krankheit, sondern mit der Linderung
der Beschwerden befasst.
Thanatologie:
Wissenschaft, die sich mit den Problemen des Sterbens und des Todes befasst. Sie liefert eher Gedanken, Ideen und Theorien als gesicherte Ergebnisse. Interdisziplinäres Forschungsgebiet, auf dem Philosophen, Theologen, Psychologen, Ethnologen, Soziologen, Mediziner und Pflegewissenschaftler tätig sind.
Zellen sterben, sobald ihre Fähigkeit, sich an Umwelteinflüsse und Schädigungen anzupassen, erlischt. Der Zelltod ist gekennzeichnet durch den irreversiblen Funktionsverlust der Zelle. Die Zellstrukturen lösen sich auf.
Der
Übergang von lebender zu toter Zelle ist allerdings unscharf, der
genaue Zeitpunkt kann nicht bestimmt werden. In vielzelligen Organismen
kommt es laufend zum Untergang von Zellen. Diese werden aber durch
Wachstumsvorgänge erneuert. Zelltod und Zellerneuerung befinden
sich in einem dynamischen Gleichgewicht.
Erst Störungen dieses Gleichgewichtes führen zu Alterung und
Tod. Ein vielzelliger Organismus stirbt, wenn es als Folge des
Absterbens einzelner Zellen zum Untergang und Funktionsausfall ganzer
Organe kommt und wenn dieser Funktionsausfall nicht durch andere Organe
kompensiert werden kann.
Störungen im Wechselspiel von Zelltod und Zellerneuerung werden beispielsweise bewirkt durch:
Sterbender (im medizinischen Sinn):
Mensch, dessen Tod als Folge eines Unfalls, einer nicht behandelbaren
Krankheit oder infolge hohen Alters in absehbare Nähe gerückt
ist. Die unmittelbare Todesursache ist schon abzusehen, und der Tod
wird nach ärztlicher Einschätzung innerhalb von Tagen bis
Monaten eintreten.
Oder:
Mensch, bei dem als Folge der Destruktion von Organen lebenswichtige
Funktionen des Organismus so beeinträchtigt werden, dass sie mit
dem Leben nicht mehr vereinbar sind.
Sterbender (aus psychologischer Sicht): "Mensch, der objektiv vom Tode bedroht ist und sich dieser Todesbedrohung so weit bewusst ist, dass sie sein Erleben und Verhalten bestimmt." (Joachim Wittkowski).
Wie alt kann der Mensch werden?
Der
biologische Vorgang des Alterns begrenzt die Lebensspanne: Vermutlich
kann der Mensch nicht älter als 120, vielleicht auch 130 Jahre
werden - und auch das nur, wenn weder Krankheiten noch Unfälle es
verkürzen.
Die Hoffnung, dass die moderne Medizin das Altern und damit den Tod immer weiter herausschieben könnte, ist wissenschaftlich nicht begründet. |
Sterbeforscher (Thanatologen)
untersuchen, ob und wie sich sterbende Menschen mit dem Tod
auseinandersetzen. Oft wird dabei der Sterbeprozess als Entwicklung
beschrieben, die bei verschiedenen Menschen ähnlich verläuft.
Die so erkannten Muster führen zur Beschreibung von Sterbestadien oder Sterbephasen. Das bekannteste, aber auch umstrittene Konzept ist das Phasenmodell der Ärztin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross.
In diesem sind die Erfahrungen von über 200 sterbenden Patienten
aus den USA verarbeitet, mit denen sie gesprochen hat. Danach
verläuft die psychische Verarbeitung des Sterbens bei allen
Menschen, die ausreichend unterstützt werden, in fünf Phasen.
Phase 1: Nicht-Wahrhabenwollen und Isolierung
Der
Betroffene kann seine schwere, unheilbare Erkrankung innerlich noch
nicht anerkennen. Er fordert neue Untersuchungen, glaubt an
Verwechslungen oder beschuldigt die behandelnden Ärzte der
Unfähigkeit. Oft werden Verordnungen nicht eingehalten, da sie
nach Einschätzung des Patienten auf einer "falschen" Grundlage
erstellt sind. Die Verleugnung mildert den Schock. So gewinnt der Kranke Zeit, Kraft zu sammeln, um mit der Wahrheit fertig zu werden.
Phase 2: Zorn
Hat
der Betroffene die tödliche Krankheit als solche anerkannt, wird
er zornig und eifersüchtig auf die anderen, die leben dürfen
("Warum muss es mich treffen?"). Es kommt zu einer Flut negativ
getönter Emotionen, die den Sterbenden mit sich fortreißen
können. Dies äußert sich dann oft in "Kleinigkeiten"
wie Unzufriedenheit mit dem Essen, dem Zimmer, den Mitpatienten, dem
Pflegeteam und den Ärzten, in Sonderwünschen, aber auch in
heftigen Streitigkeiten mit der Familie und aggressiven Beschuldigungen.
Phase 3: Verhandeln
In
dieser - meist kurzen - Phase wird der bevorstehende Tod als
unvermeidbar anerkannt. Weiteres Verdrängen oder Ausweichen ist
nicht mehr möglich, "der Körper sagt die Wahrheit". Die
Sterbenden versuchen durch "Verhandeln" einen Aufschub, also mehr
Lebenszeit, zu erreichen. Sie feilschen mit den Ärzten (z.B. um
andere Therapien) und mit dem Team (Versprechen, sich anzupassen, an
Therapien teilzunehmen). Durch ihre Bereitwilligkeit, einen Einsatz zu
bringen, werden sie manchmal zu "zahmen", pflegeleichten Patienten.
Aber
auch das Schicksal oder Gott werden zu (Handels-)Partnern im Kampf des
Sterbenden um ein "Stückchen mehr Leben". Gelübde werden
geleistet, Verpflichtungen abgelegt. Dem Inhalt solcher Versprechungen
liegen oft Schuldgefühle zugrunde: Der Sterbende gelobt, etwas zu
tun, was er als wichtig erkannt, aber noch nicht geleistet hat. Die
Patienten sind in dieser Phase sehr verletzlich.
Phase 4: Depression
Ein
neues Stadium wird erreicht, wenn der Patient jede Hoffnung aufgibt und
in ein Meer von Traurigkeit versinkt. Es handelt sich bei dieser
Reaktion aber nicht um eine Depression im engeren Sinn, die medikamentös angegangen werden muss. Daher ist der Ausdruck Phase der Traurigkeit zutreffender.
Den
Sterbenden überwältigt das Gefühl eines entsetzlichen
Verlustes. Er bereut zurückliegende Versäumnisse und trauert
um all das, was er verlieren wird: Partner, Kinder und Freunde.
Probleme, die er nicht mehr lösen kann (z.B. finanzielle Sorgen
der Familie), erwecken Kummer, und begangene Fehler rufen
Schuldgefühle hervor.
In
dieser Zeit ist es dem Sterbenden möglich, sich umfassend mit der
Realität seines Todes auseinander zusetzen. Er verfasst z.B. ein
Testament oder bringt Geschäfte zum Abschluss. Möglicherweise
ändert sich seine persönliche Lebensphilosophie. Manchmal
können jahrelang verhärtete Positionen noch verlassen werden:
Z.B. ist die Aussöhnung mit einem verfeindeten Bruder eine
Erfahrung, die auch den Angehörigen den Abschied erleichtert.
Die
Depression kann in eine Phase vorbereitender Trauer münden, mit
der sich der Sterbende auf den nahen Tod vorbereitet. Er wird stiller
und zieht sich zurück. Dieser Rückzug kann für die
Angehörigen schmerzlich sein, ist aber ein Zeichen dafür,
dass es dem Patienten gelingt, sich von seinen Bindungen zu lösen
und die Dinge der Welt hinter sich zu lassen.
Phase 5: Zustimmung
Die
letzte Phase ist gekennzeichnet von Zustimmung und ruhiger Erwartung
des Endes. Der Sterbende hat seinen Frieden mit der Welt gefunden und
akzeptiert den nahenden Tod, auch wenn oft noch eine schwache Hoffnung
aufrechterhalten wird, doch nicht sterben zu müssen. Dieses
Stadium ist fast frei von Gefühlen. Der Patient ist müde und
schwach, schläft viel und möchte meist nicht gestört
werden. Er verständigt sich oft nur noch mit Gesten oder wenigen
Worten.
Die Rechte des Sterbenden
Der
Umgang mit Sterbenden und die Rechte, die ihm eingeräumt werden,
sind stark von der jeweiligen Zeit und Gesellschaft geprägt.
Während es beispielsweise den Ärzten der Schule des
Hippokrates nicht gestattet war, Sterbende zu behandeln, gehört
die optimale medizinische Betreuung heutzutage zu den Rechten der
Sterbenden. Weiterhin gehören dazu:
Aufklärung
ist prinzipiell immer Aufgabe des Arztes. Er darf diese Aufgabe nicht
an Pflegende delegieren, kann aber andere Mitglieder des Teams zum
Gespräch hinzuziehen, falls ihm dies sinnvoll erscheint.
Um
nicht versehentlich Informationen an den Patienten weiterzugeben, die
der Arzt bewusst noch nicht mitgeteilt hat, müssen die Pflegenden
immer darüber Bescheid wissen, welche Informationen ein Patient
vom Arzt erhalten hat und welche (noch) nicht.
Viele
Sterbenden wissen unabhängig von jeder Aufklärung, dass sie
todkrank sind. Wurde der Patient einmal vom Arzt aufgeklärt, ist
ein ehrlicherer und offenerer Umgang miteinander möglich.
Da
Pflegende zu den Kranken meist ein intensiveres Verhältnis haben
als Ärzte, werden sie eher zu Partnern in der Auseinandersetzung
mit der Wahrheit. Damit der Kranke nicht durch widersprüchliche
Informationen verwirrt und belastet wird ("Man kann diese Krankheit
nicht heilen" - "Oh, es wird schon wieder werden! Geben Sie die
Hoffnung nicht auf"), sollten sich die Aussagen des Arztes und des
Pflegeteams ausnahmslos decken. Hierfür ist eine gute
Kommunikation innerhalb des therapeutischen Teams wichtig.
Passive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe: Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen und/oder Einsatz von leidensmindernden Maßnahmen, selbst wenn diese das Leben verkürzen. Ihr Ziel ist es, Leiden zu mindern, wobei die Möglichkeit des vorzeitigen Todes in Kauf genommen wird. |
Zu den lebensverlängernden Maßnahmen gehören z.B. die Beatmung, die Zufuhr von Sauerstoff und die künstliche Ernährung.
Zu den leidensmindernden Maßnahmen
zählt z.B. die ausreichende medikamentöse
Schmerzbekämpfung, selbst wenn dafür lebensgefährlich
hohe Dosierungen notwendig sind.
Passive
Sterbehilfe gilt als vertretbar, wenn das Hinausschieben des nicht mehr
vermeidbaren Todes für den Patienten mit unzumutbarem Leiden
verbunden ist. Allerdings ist dabei der erklärte Wille des
Patienten bindend, mündlich oder in Form einer Patientenverfügung,
in der der Patient beispielsweise festlegt, welche medizinischen
Maßnahmen er sich noch wünscht, welche er ablehnt, oder ob
er in ein Hospiz aufgenommen werden möchte.
Keine passive Sterbehilfe ohne Einwilligung des Patienten. Sein Wille ist bindend. |
Ist
ein Patient nicht mehr urteilsfähig, versucht das Team nach seinem
"mutmaßlichen" Willen zu handeln. Dabei bezieht es auch
frühere schriftliche Erklärungen des Sterbenden und Aussagen
ihm nahestehender Menschen mit ein.
Aktive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe (Euthanasie, griech. "guter Tod"): Gezielte Maßnahmen, die den Tod direkt herbeiführen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gesetzlich verboten. |
Ein möglicher Ansprechpartner in Konfliktsituationen ist die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben
(DGHS), deren rechtliche Akzeptanz aber sehr umstritten ist, da sie den
Tod durch Suizid nicht nur befürwortet, sondern auch
unterstützt.
Pro- und Contra-Argumente
Maßnahmen
der passiven Sterbehilfe werden gesellschaftlich weitgehend toleriert,
aktive Sterbehilfe dagegen ist weiterhin heftig umstritten.
Argumente pro
Die
meisten Befürworter aktiver Sterbehilfe sind der Meinung, dass der
Mensch das Recht haben sollte, über das Ende seines Lebens selbst
zu bestimmen. Oft bringe nur der Tod das Ende von unerträglichem
körperlichen und seelischen Leid. Sie verweisen auf die Grenzen
der medizinischen Symptomlinderung und werfen ihren Gegnern vor, dass
diese den Prozess des Sterbens durch eine rosa Brille betrachten und
den Sterbenden in unerträglicher Weise bevormunden. Voraussetzung
für aktive Sterbehilfe sei der Wunsch oder die Einwilligung des
Sterbenden.
Argumente contra
Viele
Gegner der aktiven Sterbehilfe betonen die Möglichkeit einer
letzten menschlichen Entwicklung angesichts des Todes. Diese dürfe
nicht durch gewaltsame Maßnahmen verhindert werden: Depression,
Angst, Schmerz und Verzweiflung könnten überwunden werden.
Religiöse
Menschen verweisen auch auf das göttliche Gebot "Du sollst nicht
töten" und vertreten die Meinung, dass der Mensch die von Gott
gesetzte Spanne des Lebens nicht abkürzen darf.
Ebenso
wird auf die Verbrechen des Nationalsozialismus verwiesen: Im Dritten
Reich wurden ungefähr 100.000 geistig behinderte Erwachsene und
einige tausend Kinder mit Missbildungen umgebracht, da ihr Leben als
"lebensunwert" eingestuft wurde. Würden es die heutigen
Befürworter der aktiven Sterbehilfe schaffen, diese zu
legalisieren, bestünde auch heutzutage die Gefahr, dass die
Indikation auf behinderte und alte Menschen ausgeweitet würde: Ihr
Leben könnte dann von anderen als nicht mehr lebenswert
klassifiziert werden. Schwerkranke könnten sich unter Druck
gesetzt fühlen, ihr Leben frühzeitig zu beenden, um "der
Gesellschaft" die Kosten für Pflege und medizinische Versorgung zu
ersparen (50% der Kosten durch medizinische Betreuung entstehen im
letzten Lebensjahr), um ihre Angehörigen zu entlasten, um den
potentiellen Erben nicht im Wege zu stehen oder um ihre Organe für
Organtransplantationen zur Verfügung zu stellen. Dann könnte
das Recht zur "Tötung auf Verlangen" in eine moralisch gebotene
Pflicht umschlagen.
Sterbebegleitung
Etwa
3% der ins Krankenhaus aufgenommenen Patienten sterben dort. Pflegende
werden also häufig mit Kranken konfrontiert, deren Prognose
ungewiss oder infaust (lat: ungünstig, d.h. hier: zum Tode
führend) ist. Sterbende wecken bei Ärzten und Pflegepersonal
oft eigene tief verwurzelte Ängste, die einer angemessenen
Versorgung im Weg stehen. Solchen Ängsten können sie
begegnen, indem sie sich weder falschen Hoffnungen für den
Patienten hingeben noch der Begegnung mit dem Patienten ausweichen,
sondern statt dessen eine möglichst engagierte Sterbebegleitung
ermöglichen.
Im Vordergrund der pflegerischen und medizinischen Betreuung Sterbender steht das Recht auf einen friedvollen, schmerzfreien und würdevollen Tod. |
Die
Lebensumstände des Sterbenden werden so gestaltet, dass sie
möglichst angenehm sind. Dabei bestimmt der Sterbende, was
"Annehmlichkeit" für ihn bedeutet.
Lebensverlängerung
Lebensverlängerung
kann ein Ziel bei der Betreuung Sterbender sein, ist aber nicht Ziel um
jeden Preis. Gewonnene Zeit ist dann sinnvoll, wenn der Patient sie
selber planen und entsprechend nutzen kann, z.B. um noch schöne
Tage und Wochen zu verbringen und anstehende Probleme zu
bewältigen. Gerade weil seine Zukunft kurz und überschaubar
geworden ist, sollte seine Zeit nicht von anderen verplant werden.
Therapeutische und pflegerische Maßnahmen werden nicht daran gemessen, ob sie den Zeitpunkt des Todes hinausschieben, sondern welche Lebensqualität sie dem Sterbenden noch ermöglichen. Jede Maßnahme wird auf ihre Notwendigkeit geprüft, um den Sterbenden nicht unnötig zu stören. |
Maßnahmen bei körperlichen Beschwerden
Bei
sterbenden Patienten treten häufig komplexe Probleme auf: Zum
Fortschreiten der Grunderkrankung treten oft Infektionen und
Beeinträchtigungen verschiedenster Organfunktionen. Die
häufigsten Beschwerden sind:
Der
Arzt bemüht sich auch beim Sterbenden, die Ursache der Beschwerden
aufzuklären. Dabei belastet er den Patienten aber nicht durch
aufwendige technische Maßnahmen, sondern stützt sich
schwerpunktmäßig auf die körperliche Untersuchung und
die Krankengeschichte. Manchmal gibt auch der Erfolg einer
Maßnahme einen Hinweis auf die Ursache.
Die körperlichen Beschwerden zu lindern ist ein wesentlicher Bestandteil der Betreuung Sterbender. Jedoch dürfen die Behandlungsmaßnahmen den Sterbenden nicht stärker belasten als die Beschwerden selbst. |
Schmerz
Fortgeschrittene Erkrankungen gehen oft mit starken Schmerzen
einher, und viele Sterbende haben Angst vor einem schmerzhaften und
qualvollen Tod. Schmerzen können in der Regel jedoch durch eine
konsequente Schmerztherapie ausgeschaltet oder zumindest auf ein
erträgliches Maß reduziert werden.
Da
tödliche Erkrankungen ihrem Wesen nach progredient sind, wird die
Effektivität der Maßnahmen regelmäßig
überprüft und z.B. die Dosis der Schmerzmittel entsprechend
gesteigert.
Schwäche
Körperliche Schwäche
bei Sterbenden hat meist viele verschiedene Ursachen, etwa eine
Anämie plus Elektrolytstörungen plus beginnende Pneumonie.
Entsprechend reicht die Bekämpfung einer (Teil-)Ursache nicht aus,
und die Therapie muss an mehreren Punkten gleichzeitig ansetzen.
Ist
die Ursache für die Schwäche nicht bekannt oder eine kausale
Therapie dem Patienten nicht mehr zuzumuten, verspricht die Gabe eines Glukokortikoids
(z.B. Prednisolon) als unspezifisches Behandlungsmittel Erfolg. Dieses
steigert nicht nur das allgemeine Wohlbefinden, sondern meist auch den
Appetit des Sterbenden.
Daneben stellen Physiotherapie und aktivierende Pflege
die natürlichsten Behandlungsmöglichkeiten von Schwäche
dar. Zusätzlich signalisiert ihre Anwendung dem Patienten, dass
man ihm zutraut, aktiv zu bleiben, und dass man ihn nicht "aufgegeben"
hat.
Letztlich
ist ein Kräfteverlust bei Sterbenden aber auch durch beste
Behandlung und Pflege nicht zu vermeiden. Diese Tatsache muss
akzeptiert und der Tagesablauf des Patienten immer wieder den neuen
Bedingungen angepasst werden: Es erfordert viel Kreativität, neue
Beschäftigungen zu entdecken, die auch in diesem Stadium des
Lebens noch Freude bereiten.
Appetitlosigkeit und Anorexie
Appetitlosigkeit und Anorexie
werden manchmal durch Faktoren verursacht, die kausal oder
symptomatisch behandelt werden können, z.B. Übelkeit und
Obstipation. Ansonsten stellen Glukokortikoide wie Prednisolon (z.B. Decortin H®) oder Dexamethason (z.B. Fortecortin®) die einzige wirksame medikamentöse Behandlungsmöglichkeit dar.
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen
können durch viele Ursachen bedingt sein, unter anderem durch die
Einnahme von Opioiden. Zwar sollte man nach Möglichkeit immer die
auslösenden Medikamente absetzen, jedoch ist dies bei Opioiden
selten möglich und in der Regel auch nicht notwendig, da die
opioidinduzierte Übelkeit durch zusätzliche Gabe von Antiemetika
(den Brechreiz unterdrückende Mittel) aus der Gruppe der
Neuroleptika (z.B. Haloperidol) behoben werden kann. Erhält der
Patient Prostaglandinsynthesehemmer gegen Schmerzen (z.B.
Azetylsalizylsäure), sollte er sie zusammen mit den Mahlzeiten
einnehmen.
Bei psychogenem Erbrechen
bemüht man sich in erster Linie um Angstabbau durch Gespräche
und Informationen. In schweren Fällen sind angstlösende
Medikamente notwendig.
Schlafstörungen
Die
körperlichen und seelischen Ursachen der Schlaflosigkeit bei
Sterbenden sind vielfältig. Alle körperlichen Symptome
können Schlafstörungen zur Folge haben, so dass ihre
Behandlung auch den Schlaf verbessern kann.
Viele
Kranken können auch nicht schlafen, da sie befürchten, im
Schlaf zu sterben. Vorsichtiges Nachfragen ("Haben Sie vor irgendetwas
Angst?" "Was beunruhigt Sie beim Einschlafen?") kann solche Ängste
aufdecken, die durch Gespräche und evtl. durch Psychopharmaka
verringert werden.
Die
Patienten nehmen natürlich auch die noch nicht geklärten
Fragen und Probleme, die sich aus ihrer Erkrankung und aus dem Nahen
des Todes ergeben, mit in die Nacht. Schlafstörungen sind daher
verständlich und zu erwarten.
Können
die Schlafstörungen auch durch die dargestellten Maßnahmen
nicht ausreichend gebessert werden, eignen sich als medikamentöse
Hilfe:
Pflege
Jede pflegerische Handlung wird durch liebevolle Einfühlung bedeutungsvoll und hilft dem Pflegenden, dem Sterbenden nahezukommen. |
Zusammen mit den Ärzten sorgen Pflegende für das größtmögliche körperliche Wohlbefinden des Sterbenden.
Sterbende
leiden neben den oben genannten Symptomen oft auch unter
Müdigkeit, die als Ausdruck schwindender Lebenskraft verstanden
werden kann. Daher werden ausreichende Schlaf- und Ruhezeiten geplant und Störungen vermieden.
Weiterhin ist wegen der Austrocknung der Schleimhäute die Mundpflege
besonders wichtig. Sie nimmt auch das Durstgefühl, falls ein
Sterbender nicht mehr trinken kann. Eventuell muss die Zahnprothese
entfernt werden, um Druckstellen zu vermeiden.
Bewegt
ein Sterbender seine Lider nicht mehr, werden regelmäßig
Augentropfen gegeben. Sterbende schwitzen häufig. Hier helfen
Waschungen und Einreibungen mit erfrischenden Duftstoffen, die der
Sterbende mag, z.B. mit Orangen- oder Lavendelextrakten. Dabei kann die
Waschung auch symbolisch erlebt werden: Wasser ist Zeichen für
körperliche und geistige Reinheit und für Neuanfang (Taufe).
Die Beschwerden Sterbender zu lindern, fordert Kreativität und Engagement des gesamten therapeutischen Teams, denn die medikamentöse Therapie allein reicht für eine umfassende Sterbebegleitung nicht aus. Vielmehr müssen hier Medikation, psychosoziale Betreuung und die Suche nach alternativen Maßnahmen zusammenspielen. |
Umgang mit den religiösen Bedürfnissen des Sterbenden
Für den sterbenden Patienten kann es eine große Hilfe sein, wenn jemand seine religiösen Bedürfnisse erkennt und darauf eingeht. Das ist heute jedoch schwierig, da in unserer Gesellschaft Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen leben. Die gleiche Religion kann für verschiedene Menschen sogar Unterschiedliches bedeuten: Der eine ist strenggläubig, der nächste liberal, der dritte hat sich seine persönlichen Schwerpunkte ausgewählt.
In
der Praxis heißt das: Der Blick auf das Verwaltungsformular, in
dem die Religionszugehörigkeit vermerkt ist, reicht nicht aus, um
eine Vorstellung von den religiösen Bedürfnissen des
Sterbenden zu erhalten. Die Pflegenden müssen ihn behutsam
ansprechen (z.B. "Sie haben angegeben, dass Sie evangelisch sind.
Können wir Sie in Ihrer Religionsausübung irgendwie
unterstützen?"), um seine persönlichen Einstellungen
herauszufinden. (z.B. "Eigentlich bedeutet mir die Kirche nichts mehr"
oder "Ja, ich brauche eine Gespräch mit dem Pfarrer" oder "Mein
Glaube ist meine Privatsache, in die sich niemand einmischen soll").
Die
Religiosität des Patienten und seiner Familie ist wichtig für
die angemessene spirituelle Sterbebegleitung. Daneben gibt es
praktische Details, die Pflegende bei der Betreuung religiöser
Patienten beachten sollten.
Welche religiöse Bedeutung hat der Tod für den Sterbenden?
Bedeutung des Todes für Juden
Das
Judentum ist eine Religion, die das Leben hier auf dieser Erde sehr
stark betont. Obwohl die Seele göttlich und damit unsterblich ist,
sind die Annahmen über das, was nach dem Tod kommt, eher
verschwommen. Viele Juden glauben aber an eine Auferstehung und ein
Leben nach dem Tode.
Während im Christentum die Liebe Gottes zu den Menschen betont wird, betonen die Juden die Gerechtigkeit
Gottes. Sie glauben nicht an den liebenden Gott, der ihnen ihre Fehler
vergibt, wenn sie ihn nur darum bitten, sondern an den richtenden Gott,
der die Fehler des Menschen (Sünden) mit seinen "guten Taten"
verrechnet. Deshalb erinnern sich sterbende Juden besonders gern an die
von ihnen eingehaltenen Glaubensvorschriften.
Bedeutung des Todes für Christen
Nach
christlichem Glauben hat der Mensch durch sein Fehlverhalten den Tod in
die Welt gebracht und damit die Verbindung zu Gott gestört. Um die
unterbrochene Verbindung wieder herzustellen, hat Gott, der die
Menschen liebt, seinen Sohn Jesus Christus in die Welt geschickt, der
durch seinen Opfertod das Böse der Menschheit auf sich nahm. Er
besiegte den Tod und ist von den Toten auferstanden. Heute haben die
Menschen die Möglichkeit, sich im Gebet an ihn zu wenden, sich von
ihm ihre Schuld vergeben zu lassen und somit wieder mit Gott verbunden
zu sein.
Das Sterben ist für den Christen die letzte Chance, sich auf das
Leben nach dem Tod vorzubereiten. Es gibt aber auch Christen, die
Krankheit und Sterbensmüssen - zumindest vorübergehend - als
Strafe Gottes erleben und mit Wut oder Angst reagieren.
Nach christlichem Glauben werden alle Menschen nach ihrem Tod von Gott
gerichtet, jedoch brauchen die Menschen, die sich an Gott gewandt
haben, um sich ihre Schuld vergeben zu lassen, keine Angst davor zu
haben.
Alle christlichen Religionen lehren ein Leben nach dem Tod. Die
Vorstellung darüber sind allerdings unterschiedlich: Sie reichen
von der Ansicht, dass die Seele in anderer Form in dieser Welt weiter
existiert, bis zu konkreten, bildhaften Vorstellungen eines Himmels und
einer Hölle. In der katholischen, protestantischen und orthodoxen
Theologie wird der Begriff Hölle
nicht im Sinn einer kochenden Feuerstätte verstanden, sondern als
der Ort, an den man gelangt, wenn man sich in letzter
Endgültigkeit von Gott abwendet. Der Himmel hingegen ist der Ort, an dem man für immer in der Nähe Gottes ist.
Bedeutung des Todes für Muslime
Die
muslimische Vorstellung vom Tod und vom Leben nach dem Tod
unterscheidet sich im Prinzip kaum von der christlichen. Sterben zu
müssen ist das Schicksal ("Kismet") jedes Menschen. Im Tod kehrt
der Mensch zu Gott zurück. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod
gehört zu den sechs Glaubensartikeln. Jeder Mensch muss in seinem
Leben versuchen, das Gute zu tun, darf aber trotz seiner Verfehlungen
im Weltgericht auf die Barmherzigkeit und Fürsorge Gottes hoffen.
Bedeutung des Todes für Hindus
Nach
hinduistischer Weltanschauung soll das Leben in vier Abschnitte
gegliedert werden: In die Zeit der Erziehung, die Zeit der
Tätigkeit in dieser Welt, die Zeit der Ablösung von dieser
Welt und das Warten auf die Befreiung durch den Tod.
Hindus glauben an eine Wiedergeburt und daran, dass ihr Handeln in
dieser Welt auf ihr Schicksal im nächsten Leben Einfluss hat. Die Lehre von der Wiedergeburt (Reinkarnation)
oder Seelenwanderung ist ein sehr alter Todesmythos, nach dem die Seele
beim Tod des Körpers in ein anderes Wesen (Tier, Mensch oder
Pflanze) übergeht. Sie findet sich als grundlegender Gedanke nicht
nur im Hinduismus, sondern auch im Buddhismus und bei den
Anthroposophen.
Bedeutung des Todes für Buddhisten
Auch
Buddhisten glauben an einen Zyklus von Wiedergeburten. Alles, was sie
in diesem Leben tun, wirkt sich im nächsten Leben aus. Glauben und
leben sie nach den buddhistischen Lehren, so lernen sie in jedem Leben
aus der Vergangenheit und nähern sich stufenweise dem Nirwana,
einem Bewusstseinszustand völliger Freiheit und Friedens. Viele
Buddhisten können den bevorstehenden Tod als Teil des menschlichen
Lebenszyklus mit großer Gelassenheit akzeptieren.
Religiöse Rituale angesichts des nahenden Todes
Rituale im Judentum
Im Judentum gibt es keine Sterberiten. Der sterbende Jude legt vor seinem Tod eine stille Beichte ab und segnet seine Kinder.
Rituale im Christentum
Die meisten christlichen Kirchen kennen die Praxis des Abendmahls (in der kath. Kirche "Kommunion" genannt), der Krankensalbung (früher in der katholischen Kirche "letzte Ölung" genannt) und des Schuldbekenntnisses
(Beichte). Die Bedeutung dieser Elemente ist in den einzelnen Kirchen
allerdings recht unterschiedlich. Oft möchten Sterbende diese noch
einmal als Zeichen ihrer vergebenen Schuld (und damit der intakten
Verbindung zu Gott) und als Zeichen ihrer Hoffnung auf die Auferstehung
erleben.
Nottaufe |
Für
Christen ist das Kreuz - für Katholiken auch ein Kruzifix mit
Darstellung des Körpers Jesu Christi - ein wichtiges Symbol, das
sie eventuell in den Händen halten möchten. Katholiken
wünschen vielleicht auch einen Rosenkranz, ein Marien- oder
Heiligenbild. Für orthodoxe Christen ist eventuell eine Ikone (ein
geweihtes Tafelbild) von besonderer Bedeutung.
Rituale im Islam
Der
Sterbende möchte in Richtung Mekka, also nach Osten, blicken. Die
Angehörigen übernehmen die religiöse Begleitung. Sie
beten und lesen aus dem Koran
vor, dabei wird auch immer wieder das Glaubensbekenntnis "Es gibt
keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet"
gesprochen. Das sind auch die letzten Worte, die ein sterbender Muslim
sprechen sollte. Gibt es keine Angehörigen, die den Sterbenden
begleiten, so dürfen auch andere gläubige Muslime diese
Aufgaben übernehmen.
Rituale im Hinduismus
Hinduistische
Praktiken variieren stark, daher suchen Pflegende immer das
Gespräch mit der Familie und fragen sie nach den jeweiligen
religiösen Bräuchen. Für Hindus ist die körperliche
Reinigung sehr wichtig, weil dadurch nicht nur der Körper, sondern
auch die Seele gereinigt wird. Jedoch muss die Waschung unter
fließendem Wasser erfolgen (kein Bad). Dem Sterbenden spricht man
Worte aus den Weden
("Heiliges Wissen", Aufzeichnung von Offenbarungen aus den Jahren 1300
- 500 v. Chr.) vor, um ihnen dadurch die Gewissheit einer angenehmen
Wiedergeburt zu geben.
Rituale im Buddhismus
Der
Sterbende soll einen möglichst gelassenen Bewusstseinszustand
erreichen, da dies die Wiedergeburt positiv beeinflusst. Zu diesem
Zweck werden ihm Sutren
(buddhistische Lehren) vorgesungen, die den Geist beruhigen.
Außerdem meditiert der sterbende Patient so viel wie
möglich. Das tibetanische Totenbuch bereitet sterbende
tibetanische Buddhisten auf den Übergang vom Tod zum neuen Leben
vor.
Besuch eines Seelsorgers: Ja oder Nein
Sterbende
Juden wünschen sich oft den Besuch eines - je nach
Glaubensrichtung - orthodoxen, reformistischen oder liberalen Rabbis,
Christen einen Geistlichen. Meist werden die Mitglieder einer
christlichen Gemeinschaft (egal, ob kath. oder ev. Kirche,
freikirchliche Gemeinde oder beispielsweise Neuapostolen) ohnehin
regelmäßig von einem ihrer Seelsorger besucht. Wenn nicht,
benachrichtigt das Pflegepersonal auf Wunsch des Patienten die
entsprechende Gemeinschaft oder einen bestimmten Geistlichen. In
manchen Krankenhäusern gibt es auch eigene Krankenhausseelsorger.
Im
Islam und im Buddhismus ist der Besuch eines Seelsorgers nicht
unbedingt notwendig. Trotzdem wünschen sich manche Muslime den
Besuch eines Imans oder manche Buddhisten den Besuch einer buddhistischen Nonne oder eines buddhistischen Mönches. Zu Hindus kommt der Pandit (Hindu-Priester), um den Sterbenden beim Beten zu unterstützen und ihm zu helfen, seinen Tod in Gelassenheit hinzunehmen.
Gebete für Sterbende
Die Juden sprechen angesichts des nahenden Todes die erste Zeile eines Gebetes namens Schema:
"Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Gott" (manche
Juden lassen es auch durch den Rabbi sprechen). Ein Trost für
viele Sterbende ist auch das Wissen, dass nach ihrem Tod jemand das Kaddisch, ein spezielles Trauergebet, für sie sprechen wird.
Gebete und Gedanken für sterbende Christen finden sich in den
jeweiligen Gesangbüchern und der Bibel, besonders in den Psalmen.
Als Gebet in jeder Lebenssituation kann das "Vater unser" gesprochen
werden.
Um Gott noch einmal ihre Ehrerbietung zu erweisen, beten Muslime die
fünf vorgeschriebenen täglichen Gebete, das oben
erwähnte Glaubensbekenntnis und manchmal auch ein
persönliches, freies Gebet. Für Strenggläubige sind
Übersetzungen des Korans aus dem Arabischen in andere Sprachen
nicht erlaubt, daher sollten Pflegende keine Texte aus
Koranübersetzungen vorlesen, falls dies der Patient nicht
ausdrücklich wünscht.
Auch Patienten, die keiner religiösen Gemeinschaft angehören oder die sich von ihrem Glauben distanziert haben, haben religiöse oder spirituelle Bedürfnisse: Beispielsweise glauben viele Menschen in unserer Gesellschaft unter dem Einfluss esoterischer Lehren an die Reinkarnation. Deshalb sollten auch ihre Einstellungen und Wünsche im Gespräch erfragt werden. |
Fürsorge in den letzten Stunden
Rückt
die Stunde des Abschiednehmens näher und sollte der Sterbende
bisher in einem Mehrbettzimmer gelegen haben, wird er spätestens
jetzt in ein Einzelzimmer verlegt. Bei der Gestaltung der letzten
Stunden berücksichtigen die Pflegenden die Wünsche des
Sterbenden, z.B. die Einhaltung religiöser Bräuche oder die
Benachrichtigung der Angehörigen. Kommen diese, machen es die
Pflegenden ihnen so angenehm wie möglich: Sitzmöglichkeiten
werden bereitgestellt (nachts ggf. auch Liegestühle),
Getränke gebracht und Gespräche angeboten. Außerdem
wird den Angehörigen versichert, dass sie sich jederzeit an die
Pflegenden wenden dürfen, wenn sie sich mit der Versorgung ihres
Angehörigen überfordert fühlen oder ihnen bestimmte
Tätigkeiten unangenehm sind.
Naht
der Tod, werden die meisten Patienten schläfrig und sinken ins
Koma. Da sie in dieser Phase nicht mehr husten können, kommt es
zur Ansammlung von Bronchialsekret und dadurch zu lauten
Rasselgeräuschen. Dieses sogenannte "Todesrasseln" kann
medikamentös unterdrückt werden. Es ist nach heutigem
Kenntnisstand zwar keine Belastung für den Sterbenden, quält
aber die Angehörigen, die Angst haben, der Kranke müsse
langsam ersticken.
Unruhige
Patienten leiden oft an Schmerzen, überfüllter Blase oder
vollem Rektum. Zur medikamentösen Behandlung der Schmerzen eignen
sich Morphin (Linderung der Schmerzen und Sedation), Diazepam
(Sedation, Kontrolle von Muskelzuckungen) oder ein anderes
Beruhigungsmittel. Oft gelingt es auch, den Sterbenden zu beruhigen,
indem man ihm die Hand hält und ihm leise, mit ruhiger Stimme
zuspricht.
Geschichte
Hospiz
- ursprünglich Herberge für Reisende in der Frühzeit des
Christentums und im Mittelalter - ist heute ein Symbol für die
umfassende und ganzheitliche Begleitung eines unheilbar Kranken in der
Endphase seines Lebens. Die moderne Hospizbewegung wurde von Cicely Saunders
begonnen, die 1967 das St. Christopher's Hospice in London
gründete, in welchem auch Forschungs- und Lehrtätigkeit
stattfindet.
Die
Hospizbewegung in Deutschland ist noch vergleichsweise jung. Das erste
deutsche Hospiz wurde 1986 in Aachen gegründet; 1994 gab es
bereits 11 Hospize, 23 Palliativstationen und einige hundert
Hospizvereine und -initiativen, die vorwiegend von ehrenamtlichen
Helfern getragen werden.
Ziele der Hospizbewegung
Hospiz
steht in diesem Zusammenhang nicht zwingend für ein Gebäude,
sondern gemeint ist, Sterbenden beizustehen; bevorzugt zuhause in ihrer
gewohnten Umgebung. Zum Hospizkonzept gehören:
Ziel
der Hospizbewegung ist, den Sterbenden ein menschenwürdiges Leben
in der Gemeinschaft bis zuletzt zu ermöglichen. Besondere
Bedeutung haben dabei die freiwilligen Helfer, die nicht als
untergeordnete Hilfskräfte betrachtet, sondern als echte Partner
geachtet werden.
Die Sterbebegleitung der Hospizbewegung distanziert sich von der Sterbehilfe: Wenn es gelingt, die quälenden Symptome der Krankheit zu lindern, ist die Frage nach Sterbehilfe nicht erforderlich.
Einrichtungen, Organisationen und Fortbildung
Ambulante Hospizdienste betreuen Sterbende in ihrer häuslichen Umgebung. Stationäre Hospize, bei denen auch eine teilstationäre Pflege
möglich ist, stehen in der Regel nicht unter ärztlicher
Leitung, sondern werden von niedergelassenen Ärzten mitversorgt.
Der Schwerpunkt liegt auf symptomorientierter Pflege. Palliativstationen sind dagegen immer an eine Klinik angeschlossen und verfügen auch über alle medizinischen Ressourcen dieser Klinik.
Allen Einrichtungen gemeinsam ist das Ziel, Kranken in einem weit
fortgeschrittenen Stadium unheilbarer Krankheit
größtmögliche Lebensqualität zu bieten.
Im
Sinne der Hospizbewegung sind in Deutschland die Organisationen "Mit
dem Sterben leben e.V." (OMEGA), "Internationale Gesellschaft für
Sterbebegleitung und Lebensbeistand" (IGSL), "Bundesarbeitsgemeinschaft
Hospiz zur Förderung von stationären Hospizen, ambulanten
Hospizen und Palliativmedizin e.V." sowie die "Deutsche Gesellschaft
für Palliativmedizin e.V." tätig, die u.a. Fortbildungen
für Sterbebegleiter anbieten. Spezielle Kurse über Palliativ-
und Hospizpflege bietet z.B. die Dr. Mildred Scheel-Akademie der
Universität Köln an.
Den nahenden Tod erkennt man an der Veränderung der Vitalzeichen:
Zum Schluss fallen die Grundfunktionen von Herz, Lunge und ZNS vollständig aus, der Mensch stirbt.
Während des Sterbevorgangs ist es oft schwierig, den genauen Zeitpunkt des Todes
anzugeben, da einzelne Organfunktionen eine Zeit lang unabhängig
voneinander weiterbestehen können (z.B. kann das Herz noch
schlagen, obwohl die Atemtätigkeit schon erloschen ist). Die
Bestimmung des Todeseintritts ist aber gleichzeitig sehr wichtig, denn
im Zeitalter der modernen Medizin können sich praktische
Konsequenzen daraus ergeben: Beim Toten darf der Arzt die Therapie abbrechen und evt. Organe entnehmen. Umgekehrt kann bei einem Sterbenden bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine Reanimation sinnvoll sein.
Der Zeitpunkt des Todes wird heute mit dem definitiven Ausfall aller zerebralen Funktionen gleichgesetzt. Dieser irreversible Funktionsausfall des Gehirns, der Hirntod, ist auch das wissenschaftlich anerkannte Kriterium für den Tod des Menschen. |
Es gibt verschiedene Zustände, bei denen im klinischen Alltag von "Tod" gesprochen wird:
Scheintod
Scheintod: Zustand, in dem Atmung und Herzschlag durch die klinische Untersuchung nicht mehr wahrnehmbar, aber im Gegensatz zum klinischen Tod nicht erloschen sind. Eine spontane Erholung des Scheintoten ist noch möglich. |
Der
Scheintod, bei dem sich der Totgeglaubte während der Totenwache
oder vor dem Begräbnis von der Totenbahre erhebt, spielt in
Literatur und Phantasie eine viel bedeutendere Rolle als im
medizinischen Alltag. Die zahlreichen Berichte über Scheintote
weisen aber auf die Schwierigkeit einer zuverlässigen
Todesdiagnostik hin. Irrtümer drohen besonders in Krisenzeiten,
früher bei Seuchen oder heute bei Massenunfällen. Probleme
bietet die sichere Todesfeststellung bei unterkühlten Patienten,
bei Beinah-Ertrunkenen oder bei Patienten mit Vergiftungen.
Klinischer Tod
Klinischer Tod: Tritt bei Stillstand von Atmung und Kreislauf ein und ist durch die unsicheren Todeszeichen gekennzeichnet. |
Unsichere Todeszeichen sind:
Nur wenn alle unsicheren Todeszeichen vorliegen, darf der Arzt die Diagnose "klinischer Tod" stellen.
Warum werden die unsicheren Todeszeichen als "unsicher" bezeichnet?
Durch
intensive medizinische Maßnahmen können klinisch tote
Menschen manchmal ins Leben zurückgeholt werden. Das Vorliegen
aller unsicheren Todeszeichen beweist also nicht, dass der Mensch
wirklich tot ist.
Da eine fehlende Sauerstoffversorgung des Gehirns nach wenigen Minuten
zum irreversiblen Funktionsausfall führt, ist die Möglichkeit
der Reanimation zeitlich begrenzt.
Reanimation
Eine erfolgreiche
Reanimation ermöglicht vielen Menschen das Weiterleben, ohne dass
dabei unbedingt etwas von der bisherigen Lebensqualität
eingebüßt werden muss: Ein 75-jähriger Patient erleidet
zuhause einen Herzinfarkt, es kommt zum Herzstillstand. Beim Eintreffen
des Notarztes liegen alle unsicheren Todeszeichen vor. Die direkt
einsetzende Reanimation gelingt, während der anschließenden
Behandlung erholt sich der Patient vollständig.
Ein reanimierter Patient kann aber auch Gehirnschädigungen
erlitten haben, die zu einer dauerhaften Behinderung führen, z.B.
zum apallischen Syndrom.
Wieder andere Patienten "überleben" eine Reanimation und sterben
später an einer unweigerlich zum Tode führenden Krankheit.
Im Grenzbereich zwischen Leben und Tod ist nicht jede technisch mögliche Reanimation sinnvoll.
Das wird schon daran deutlich, dass rein theoretisch bei jedem
sterbenden Patienten im Krankenhaus eine Reanimation durchgeführt
werden könnte.
Eine Reanimation ist nicht sinnvoll, wenn absehbar ist, dass der reanimierte Mensch trotz Reanimation bald stirbt oder dass seine Lebensqualität -- wie z.B. bei Apallikern - in außerordentlich hohem Maße darunter leidet. |
Wer
aber kann über den Sinn einer Reanimation entscheiden? Formal ist
der Arzt verantwortlich, jedoch trifft er eine so schwerwiegende
Entscheidung meist nicht gerne allein, denn woher soll er wissen, um
welche Zeitspanne die Reanimation das Leben wirklich verlängert,
und ob diese Zeit vom Patienten als sinnvoll erlebt werden kann? Bei
Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten bindet er deshalb die
Angehörigen, die Pflegenden und ggf. auch die Seelsorger in den
Entscheidungsprozeß ein, ob ggf. reanimiert werden soll oder
nicht.
Soll ein Patient im Krankenhaus nicht reanimiert werden, muss der Arzt das mit Handzeichen ins Dokumentationssystem eintragen. Anderenfalls sind die Pflegekräfte zur Reanimation verpflichtet. |
In
Notfallsituationen bleibt kaum Zeit für einen reflektierten
Entscheidungsprozeß. Außerdem stehen notwendige
Informationen meist nicht zur Verfügung (Leidet der Patient unter
lebensbedrohlichen Krankheiten? Wie steht er prinzipiell zur
Reanimation?). Der Arzt muss daher davon ausgehen, dass ein Lebenswille
besteht und mit Reanimationsmaßnahmen beginnen, es sei denn, es
liegen sichere Todeszeichen vor.
Dissoziierter Hirntod
Dissoziierter Hirntod: Definitiver Ausfall aller Gehirnfunktionen. Herzkreislauf- und Lungenfunktion sind dagegen durch intensivmedizinische Unterstützung noch erhalten. |
Der Patient mit dissoziierten Hirntod ist bewusstlos und kann nicht spontan atmen. Es fehlen:
Kreislaufreaktionen, Temperaturregulation und Rückenmarksreflexe können im Gegensatz zum klinisch Toten erhalten sein.
Der
dissoziierte Hirntod muss von zwei Ärzten diagnostiziert werden.
Die Diagnose stützt sich auf das klinische Bild und auf die
Ableitung eines sogenannten Nullinien-EEG
über dreißig Minuten. Ein Nullinien-EEG zeigt die
völlige hirnelektrische Stille an und beweist so den
Funktionsverlust des Gehirnes. Außerdem müssen Vergiftungen
und Unterkühlungen ausgeschlossen werden, da es dabei zu einem reversiblen zerebralen Funktionsverlust kommen kann.
Die häufigsten Ursachen für den dissoziierten Hirntod sind
Der Nachweis eines dissoziierten Hirntodes erlaubt den Therapieabbruch. Er ist Voraussetzung für die Entnahme von Organen zur Transplantation. |
Biologischer Tod
Biologischer Tod: Das Erlöschen sämtlicher Organfunktionen. |
Der tote Organismus unterliegt zwangsläufig einer Reihe von Veränderungen, die als Kriterium für den sicheren Eintritt des Todes herangezogen werden können. Diese Veränderungen bezeichnet man als sichere Todeszeichen (der Tote kann mit Sicherheit nicht mehr wiederbelebt werden). Sichere Todeszeichen sind:
Totenflecke
Rotviolette Totenflecke (Leichenflekke, Livores) treten ca. 30 Minuten nach dem Tod auf. Sie entstehen durch Blut, das in die tiefer gelegenen Körperteile sickert (Hypostase)
und zu Hautflecken führt. Zunächst blassen die Totenflecke
noch durch Druck ab. Nach etwa 12 - 24 Stunden ist der rote
Blutfarbstoff aus den zerfallenden Erythrozyten frei geworden und ins
Gewebe gewandert, so dass die Totenflecke zusammenfließen
(konfluieren) und nicht mehr wegdrückbar sind.
Totenstarre
Die Totenstarre (Leichenstarre, Rigor mortis)
ist die Folge einer Kontraktion der Muskulatur, die so ihre
Energievorräte aufbraucht. Die muskuläre Erstarrung beginnt 2
- 4 Stunden nach dem Tod an den Unterkiefer-, Hals- und Nackenmuskeln
und breitet sich von hier in die Peripherie aus. Sie löst sich je
nach Umgebungstemperatur und anderen Außenbedingungen nach 1 - 6
Tagen.
Weitere Todeszeichen
Weitere Todeszeichen sind der allmähliche Abfall der Körpertemperatur, die Trübung der Hornhaut und schließlich das Einsetzen von Fäulnis- und Auflösungsprozessen.
Maßnahmen nach Eintritt des Todes
Den
Zeitpunkt des Todes erkennen die Pflegenden am Eintritt von
Bewusstlosigkeit, Atemstillstand, Pulslosigkeit, fehlendem Blutdruck,
an der schlaffen Muskulatur und dem Fehlen von Reflexantworten. Sie
rufen dann sofort den Arzt, der den Tod feststellt und möglichst
auch die Angehörigen benachrichtigt, falls sie nicht bei dem
Sterbenden waren.
Formalien
Arzt
Der Arzt ist verpflichtet, den Toten zu untersuchen und einen Totenschein (Leichenschauschein) auszufüllen. Dieses Dokument enthält:
Zusätzlich
muss der Arzt im Krankenhaus die Todesmeldung für die Verwaltung
und gegebenenfalls einen Schauschein für den Pathologen
ausfüllen.
Pflegepersonal
Die
Pflegenden informieren ihre Abteilungsleitung über den Tod des
Patienten. Dies kann mündlich, aber auch schriftlich z.B. in Form
des Nachtwachenberichtes geschehen. Muss das Pflegepersonal für
die Verwaltung eine Mitternachtsstatistik
führen (wieviel Patienten sind bis Mitternacht an diesem Tag
aufgenommen oder entlassen worden bzw. gestorben), wird der Patient
dort eingetragen. Ist die Verwaltung nicht besetzt, z.B. am Wochenende,
benachrichtigen sie (oder der Arzt) das Beerdigungsinstitut, das den
Verstorbenen abholt, sofern er nicht pathologisch untersucht werden
soll.
Versorgung des Toten
Die
Versorgung des Leichnams findet in Stille statt und bewahrt die
Würde des Verstorbenen. Die Pflegenden richten ihn so, dass er
einem friedlich Schlafenden ähnelt.
Zunächst
schließen die Pflegenden die Augen des Patienten und entfernen
dann alle Geräte und Therapiematerialien wie Absaugvorrichtungen,
Katheter und Drainagen. Handelt es sich dabei jedoch um Materialien,
die nur schwer zu entfernen sind oder bei deren Entfernung der
Verstorbene entstellt bzw. der Gesamteindruck eines friedlich
Entschlafenen gestört werden würde (z.B. Drainagen, aus deren
Austrittsstelle massiv Sekret entweichen würde), werden sie
liegengelassen und im pathologischen Institut oder vom
Beerdigungsunternehmen entfernt.
Da
sich unmittelbar nach dem Tod Blase und Darm entleeren können,
säubern die Pflegenden den Leichnam und wechseln das Bettlaken
(eine Ganzkörperwäsche ist nur in Ausnahmefällen
nötig).
Beim Umlagern des Verstorbenen kann Luft mit einem seufzerähnlichen Laut aus den Lungen entweichen, worüber die Pflegenden nicht selten erschrecken. |
Dann
ziehen sie dem Verstorbenen ein frisches Hemd an (je nach hausinterner
Regelung patienteneigene Kleidung oder Einmalartikel) und frisieren
seine Haare. Haben der Verstorbene oder die Angehörigen den Wunsch
geäußert, dass der Verstorbene seinen Schmuck (meist
Ehering) tragen soll, legen sie ihn an, ansonsten nehmen sie ihn ab,
inventarisieren und verwahren ihn. Das gleiche gilt für die
Zahnprothese: Sie wird auf Wunsch eingesetzt oder entfernt. Um den Mund
geschlossen zu halten, binden die Pflegenden das Kinn des Verstorbenen
hoch. Dies geschieht z.B. mit einem Handtuch und einer Mullbinde oder
mit einem Bettlaken, das - von der Längsseite aufgerollt -
entweder um den Kopf des Toten gebunden wird und dessen Enden hinter
dem Kopf als "Kopfstütze" auslaufen oder das so unter das Kinn
gelegt wird, dass der Unterkiefer nicht herunterfällt. Da die
Totenstarre im Bereich der Unterkiefermuskulatur beginnt, muss diese
Maßnahme in den ersten Stunden nach Eintritt des Todes erfolgen.
Zum Schluss befestigen sie an einer der Großzehen des Toten die Identifikationskarte
(z.B. Patientenetikette auf einer Plastikschlaufe), decken den
Verstorbenen mit seiner Bettdecke zu, lagern den Oberkörper des
Toten etwas hoch, um eine Blaufärbung des Gesichtes zu verhindern,
und legen seine Hände auf der Bettdecke zusammen.
Die Angehörigen bekommen den Verstorbenen dann meist so zu sehen
(es sei denn, sie wollten bei der Versorgung des Toten mithelfen).
Haben sie ihn schon gesehen oder möchten sie ihn nicht (mehr)
sehen, bedecken die Pflegenden nicht nur den Leichnam, sondern das
ganze Bett mit einem frischen Leintuch.
Ehe die Angehörigen das Zimmer des Toten betreten, wird dieses so aufgeräumt, dass nichts mehr auf einen "Todeskampf" hinweist: Im Zimmer steht nur das Bett mit dem Toten und das sonst übliche Inventar. Wenn möglich, wird der Raum mit Blumen geschmückt. |
Nach
der Abschiednahme der Angehörigen wird der Leichnam ins
pathologische Institut der Klinik gebracht (Schauschein mitgeben,
infektiöse Tote kennzeichnen) oder vom Beerdigungsinstitut
abgeholt.
Die
Wertsachen des Toten dürfen nur dem Ehepartner oder der
Krankenhausverwaltung ausgehändigt werden (gegen Unterschrift!).
Andere Angehörige müssen einen Erbschein vorweisen, der ihr
Erbrecht amtlich beglaubigt.
Umgang mit den Angehörigen
Gefühle tolerieren
Die
erste Reaktion der Hinterbliebenen schwankt zwischen ungläubiger
Abwehr ("Sagen Sie, dass es nicht wahr ist!"), tiefem Schmerz und
gefasster Annahme ("Es ist gut so"). Selbst ein lang erwarteter
Todesfall kann die Angehörigen wie ein Schlag treffen. Der Schock
kann zum Ausbruch heftigster Gefühle, aber auch zu eisiger
Unnahbarkeit führen. Er leitet den Trauerprozess ein.
Schuldzuweisung relativieren |
Zeit lassen
Während
des Abschiednehmens benötigen die Hinterbliebenen Zeit und Stille.
Zwar gibt es viele Angehörige, die ihren Verstorbenen nur kurz
ansehen möchten, ehe sie sich den administrativen Aufgaben
zuwenden, andere brauchen jedoch viel Zeit, um sich zu verabschieden.
Sie sprechen mit dem geliebten Menschen, als ob er sie noch hören
könnte. Inhalt des Gespräches können liebgewordene
Erinnerungen sein ("Weißt Du noch damals, als wir uns
kennengelernt haben..."), ungeklärte Dinge, die noch zwischen dem
Toten und dem Hinterbliebenen stehen, z.B. ein Streit, der noch nicht
zu Ende ausgetragen war, Entschuldigungen, Anklagen ("Wie kannst Du mir
das antun, wo ich doch nun niemanden mehr habe, der sich um mich
kümmert") oder Versprechen. Manche wollen den Verstorbenen auch
noch einmal berühren: Sie streicheln sein Gesicht oder seine
Hände. Dabei ist es völlig normal, dass Tränen
fließen: Die Angehörigen brauchen sich deswegen keinesfalls
zu schämen.
In einigen (v.a. anthroposophischen) Häusern ist es üblich, nach dem Tod eine Abschiedsfeier im
Krankenhaus zu organisieren, an dem die Angehörigen und das ganze
therapeutische Team vom Chefarzt bis zur Physiotherapeutin, dem
sozialen Dienst und den Pflegenden teilnehmen. Während dieser
Feier wird musiziert und in liebevoller Weise an den Verstorbenen
gedacht. Das bringt die oft innerlich aufgewühlten
Angehörigen zur Ruhe, und von vielen wird der anschließende
Abtransport der Leiche in das pathologische Institut oder das
Beerdigungsinstitut als nicht mehr so schlimm empfunden.
Trauer: Abschied und Anfang
Trauer, Trauerprozess, Trauerarbeit
Trauer bezeichnet
die Gefühle von heftigem Schmerz, von Verlassenheit, Zorn,
Ungläubigkeit und Einsamkeit, die Hinterbliebene nach dem Verlust
eines geliebten Menschen überfallen. Außerdem bezeichnet
Trauer den Prozess,
der dem Trauernden ermöglicht, sich in einer Welt neu zu
orientieren, die nie mehr so sein wird, wie sie einmal war. Die
dafür notwendige psychische Leistung wird nach Sigmund Freud als Trauerarbeit bezeichnet. Meist dauert der Trauerprozess 1 - 2 Jahre.
Trauer
ist normal und gesund. Wenn ein Mensch stirbt, "dürfen" die
Weiterlebenden traurig sein. Selbst wenn der Tote nach dem Glauben der
Angehörigen in ein besseres "Jenseits" eingegangen ist, wird sein
Tod als schmerzlich erlebt.
Trauer gilt weniger dem Schicksal des Toten als der verlorengegangenen Beziehung. |
Trauerreaktionen
Bestimmte Trauerreaktionen finden sich in mehr oder weniger ausgeprägter Form bei den verschiedenen Völkern:
Solche
Rituale erleichtern die Bewältigung der Trauerarbeit. Wie Trauer
im Einzelfall ausgedrückt wird, hängt allerdings stark von
der umgebenden Kultur ab. Muslime beispielsweise sind der Ansicht, dass
Trauernde laut weinen und klagen sollten, da dies den Schmerz lindert.
Bei Beerdigungen stehen Getränke bereit, falls die Trauernden in
Ohnmacht fallen, und danach werden die Angehörigen eine Woche lang
besucht, um gemeinsam den Toten zu beklagen.
Trauer in unserer Gesellschaft
Unsere
Gesellschaft verlangt von dem Trauernden, schnell wieder gefasst zu
wirken und "Haltung" zu bewahren. Lauter und anhaltender Ausdruck von
Schmerz wird als unpassend oder sogar peinlich erlebt. Das kommt auch
in der Formulierung "in stiller Trauer" zum Ausdruck, die sich
häufig in Todesanzeigen findet. Von Hinterbliebenen wird
angenommen, dass sie sich zurückziehen wollen, um ungestört
zu trauern, und ihrer Privatsphäre wird große Bedeutung
zugemessen. Das kann dazu führen, dass Trauernde gesellschaftlich
isoliert und einsam werden oder dass es ihnen unmöglich wird,
ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen.
Bewältigung der Traueraufgaben
Trauer
ist also schmerzlich und erschütternd, aber in der Regel keine
Krankheit, die durch Psychopharmaka oder Psychotherapie behandelt
werden müsste. Medikamente wirken sogar kontraproduktiv, indem sie
Gefühle verschleiern, durch die sich der Trauernde
hindurcharbeiten muss. Typische Symptome, die sich bei vielen
Trauernden finden, sind Kraft-, Appetit- und Schlaflosigkeit,
Atemprobleme, intensive Beschäftigung mit dem Bild des
Verstorbenen, Schuldgefühle, Selbstbeschuldigungen, aggressive
Reaktionen, Gefühle der Sinnlosigkeit und der Leere.
Nicht-Bewältigung der Traueraufgaben
Trauer |
Depressive Reaktion |
Universelle und spezifische |
Komplexe Mischung aus Angst, Bitterkeit, Ärger und Ekel |
Patient weckt Mitgefühl und Traurigkeit |
Patient weckt Distanziertheit, Ungeduld, Gereiztheit |
Gute, kostbare Erinnerungen an Verstorbenen |
Enttäuschende Erinnerungen oder Überschätzung des Verstorbenen |
Intensive Beschäftigung mit Verstorbenem |
Selbstbezogen, Beschäftigung mit eigenem Leiden oder Selbstmitleid |
Welt erscheint leer |
Selbst wertlos, leer erlebt |
Selbstvorwürfe (oft Scham) |
Selbstanklagen (Schuldgefühle) bzgl. Verfehlungen |
Vorübergehend verminderte |
Vermindertes Interesse an geschätzten Aktivitäten und Freunden, Hemmung (Antrieb, Konzentration, Entscheidung) |
Zuversichtliche Zukunftsperspektive, Fähigkeit, Trost zu suchen |
Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Patient ist untröstlich |
Trauer subjektiv als |
Betroffener fühlt sich "anders als sonst", "krank" |
Reaktionen nach dem Verlust eines geliebten Menschen.
Der Trauerprozess kann allerdings auch misslingen und der Trauernde in eine Dauerkrise geraten (pathologische Trauer). Hinweis dafür ist beispielsweise das völlige Ausbleiben von Trauer (Trauervermeidung):
Der Hinterbliebene wirkt gefasst, spricht gefühllos vom
Verstorbenen und vermittelt den Eindruck, seine Trauer "bestens im
Griff" zu haben. Bei anderen Trauernden sind die oben beschriebenen
Trauersymptome sehr intensiv und von langer Dauer oder sie werden von
heftigen Schuldgefühlen begleitet. Dann ist fachliche, meist
psychotherapeutische Hilfe notwendig.
Pathologische
Trauer kann zu zahlreichen psychischen Störungen führen, z.B.
zu reaktiven Depressionen, für die insbesondere das Gefühl
typisch ist, nicht mehr traurig sein zu können (Gefühl der
Gefühllosigkeit), zu Anpassungsstörungen, Suizidalität,
Angstneurosen oder Sucht. Oft treten auch psychosomatische
Krankheitsbilder auf oder chronifizierte körperliche Beschwerden.
Hilfe für Trauernde
Die Gefühle des Trauernden werden stark von den letzten Ereignissen vor dem
Tod beeinflusst. Als besonders belastend werden starke Schmerzen und
auffallende körperliche Veränderungen des Sterbenden, Streit
und das Gefühl des Überfordert- oder Alleingelassenseins
empfunden. Darum ist eine gute Sterbebegleitung auch der erste Schritt
zur Hilfe für Trauernde.
Hilfreich ist auch die vorweggenommene (antizipatorische) Trauer,
die schon zu Lebzeiten des geliebten Menschen beginnt und die langsame
Lösung der Bindung zwischen Sterbenden und Zurückbleibendem
einleitet. Sie zeigt sich beispielsweise, wenn die Angehörigen
über ihr Leben nach dem Tod des Sterbenden nachdenken.
Pflege
Folgende Möglichkeiten haben Pflegende, um Trauernde bei der Bewältigung der Traueraufgaben zu helfen:
Hilfe für trauernde Kinder
Verwandte,
Freunde, aber auch Ärzte und Pflegende versuchen oft, Kinder vor
Schmerz und Trauer zu schützen. Sie werden von Kranken und
Sterbenden ferngehalten, und der Kontakt mit dem Toten wird ihnen
verwehrt. In ihrer Anwesenheit werden Gespräche über den
Verstorbenen unterlassen. Die Trauer der Kinder kann dadurch aber nicht
vermieden werden, denn der Todesfall verändert ihr Leben und
bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust.
Oft
verlieren Kinder neben dem Toten auch ihr gewohntes Lebensumfeld:
"Meine Eltern sind jetzt ganz anders. Seit mein Bruder weg ist, hab ich
keinen mehr zum Spielen." "Wir müssen jetzt ohne den Papa bei der
Oma wohnen." Kinder verleihen ihrem Schmerz oft nicht verbal, sondern
in Zeichnungen oder Rollenspielen Ausdruck, beispielsweise durch
Beerdigung von Puppen. Manchmal sind sie auch wütend auf den
Verstorbenen, weil er sie verlassen hat.
Für
die Unterstützung trauernder Kinder ist wichtig, dass ihrer Trauer
aufmerksam zugehört und auf Ablenkungsmanöver und einfache
Trostversuche verzichtet wird. Sie benötigen intensive Zuwendung
der überlebenden Angehörigen.