Schmerz und Schmerzbekämpfung
Inhaltsverzeichnis:
Schmerzen werden sehr unterschiedlich erlebt. Sie sind eine individuelle und subjektive Erfahrung. Darum ist es unmöglich, die Schmerzen einer Person nachzuempfinden. Schmerzen sind häufig der erste Grund, weshalb Betroffene medizinische Hilfe suchen.
Eine befriedigend Definition des Schmerzes gibt es nicht. Die internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (International Association for the Study of Pain, IASP) schlägt folgende Definition vor: "Schmerz ist eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit akuter oder drohender Gewebsschädigung einher geht oder in Form solcher Schädigungen beschrieben wird. Er tritt bei Krebskranken sowohl in akuter als auch in chronischer Form auf".
Krebs - je nach Entstehungsort auch Tumor, Karzinom oder Sarkom genannt - entsteht durch das entgleiste Wachstum von Körperzellen. Bei Krebs geht die Regulation der Zellvermehrung verloren: Er durchwächst gesundes Gewebe. Im Laufe der Krankheit können siech auch Ableger - sogenannte Metastasen - in anderen Organen bilden. Diese können ebenfalls Schmerzen oder Komplikationen verursachen.
Es ist wichtig, daß man weiß: Schmerzen und Krebs sind nicht dasselbe.
2/3 der Betroffenen haben Schmerzen
1/3 der Betroffenen hat keine Schmerzen.
Krebskranke können an verschiedenartigen und gleichzeitig auftretenden Schmerzen leiden.
20 % leiden "nur" an einer Schmerzart.
80 % leiden an zwei oder mehreren Schmerzarten.
Es gibt verschiedene Arten von Schmerzen bei Krebs – Krebsschmerzen im wörtlichen Sinn des Wortes gibt es nicht, da nicht der Tumor selber, sondern seine Auswirkung auf das Gewebe Schmerzen verursacht.
Dabei gibt es:
direkt durch den Tumor ausgelöste Schmerzen, wenn der Krebs
Knochen angreift,
Druck auf Nerven ausübt,
Organe beeinträchtigt,
Indirekt durch den Tumor ausgelöste Schmerzen, wenn der Krebs
In seinem Umfeld Entzündungen bewirkt
Knochenbrüche verursacht
Hohlorgane verstopft (z.B. Harnblase)
Schmerzen als Folge von Komplikationen:
Begleitinfektionen durch Viren und /oder Bakterien
Blutgerinnungsstörungen
Schoffwechselstörungen
Schmerzen als Folge von Behandlungen:
Schmerzen nach Operationen (z.B. Phantomschmerzen, ...)
Reaktionen auf Bestrahlungen
Reaktionen auf Medikamente
Schmerzen, die nicht krebsbedingt sind:
z.B. Arthritis
z.B. Migräne
Nicht jeder auftretender Schmerz muß mit der Krebserkrankung in Verbindung gebracht werden.
Es kommt zu Schmerzen, wenn die Betroffenen psychisch leiden:
Angst
Verzweiflung
Wut
Trauer
Sinn und Unsinn der Schmerzen.
Akute Schmerzen
z.B. Zahnweh, haben eine sinnvolle Aufgabe. Sie warnen vor drohender Gewebsschädigung oder zeigen eine drohende Krankheit an. Griechische Ärzte nannten den akuten Schmerz darum ein "bellenden Wachhund der Gesundheit". Akute Schmerzen bieten therapeutisch meist keine Schwierigkeiten. Oft genügt eine einzige Dosis eines Schmerzmittels, um sie zu beseitigen.
Chronische Schmerzen
Beginnen meist schleichend. An das erste Auftreten können Sie sich vielleicht kaum mehr erinnern. Trotzdem dauern sie schon lange an. Chronische Schmerzen sind anderer Natur als akute: Sie warnen und schützen nicht mehr, sondern sind meist die Folge einer bereits bestehenden Grundkrankheit. Auch bei Krebs – z.B. bei Knochenbefall – treten oft starke Schmerzen auf.
Schmerzen können und sollten behandelt werden.
Unbehandelte Schmerzen können weitere Schmerzen auslösen, weil der Körper durch sogenannte Schonhaltung Linderung sucht und sich dadurch verkrampft.
Unbehandelte Schmerzen schwächen und zermürben Sie und rauben Ihnen die Kräfte.
Es gibt verschiedenartige Schmerzen. Es ist wichtig, daß Sie Ihre Schmerzen genau wahrnehmen und beschreiben. Dann können der Arzt oder die Ärztin und das Pflegepersonal die Schmerzbehandlung Ihrer persönlichen Situation anpassen.
Hilfsmittel zur Schmerzerfassung
Auch das Führen eines Schmerztagebuches kann sehr hilfreich sein. Die so gesammelten Daten können Ihnen – z.B. im Gespräch mit ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin – wertvolle Dienste leisten.
Ob Fragebogen oder Schmerztagebuch; in beiden Fällen ist es wichtig, daß Sie
Ihre Schmerzen möglichst genau beschreiben und sie systematisch erfassen
Auch notieren, wann und unter welchen Umständen die Schmerzen nachlassen oder gar verschwinden.
Wie können Schmerzen behandelt werden?
Die beste Behandlung von tumorbedingten Schmerzen ist die Behebung der Schmerzursache, des Auslösers: Das heißt, die Entfernung oder Verkleinerung des schmerzauslösenden Tumors durch:
Eine Operation
Eine Strahlentherapie
Medikamentöse Behandlungen.
Die Fachleute sprechen dabei von kausaler Schmerzbehandlung (kausal = ursächlich).
Oft reicht dies allein nicht aus, so daß zusätzlich Schmerzmittel (Analgetika) eingesetzt werden müssen. Die Fachleute nennen dies symptomatische Schmerzbehandlung (Symptom = Krankheitszeichen). Die Wahl der Behandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab, nämlich von
der Lokalisation des Tumors,
dem Stadium des Tumors,
der Lokalisation von Metastasen (Tochtergeschwülste)
der bisherigen Tumorbehandlung,
Ihrem Alter und Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand,
Ihren Erwartungen.
Sie selber bestimmen mit, überlegen Sie darum:
Was erwarte ich von einer Behandlung?
Was wünsche ich mir?
Was bin ich bereit, in Kauf zu nehmen?
Von Fall zu Fall muß individuell abgewogen werden, welche Maßnahme am geeignetsten ist. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen im Hinblick auf den zu erwartenden Erfolg verantwortbar sind.
Fragen sie Arzt und Ärztin grundsätzlich immer nach den Vor- und Nachteilen einer bestimmten Behandlung.
(1) Die Operation
Sie ist die älteste und wichtigste Methode zur Behandlung von Krebskrankheiten. Rund 80% aller Krebskranken unterziehen sich einer Operation. Im Idealfall werden dabei alle oder die meisten Krebszellen entfernt, und ein weiteres Wuchern wird dadurch gestoppt. In vielen Fällen dienen chirurgische Maßnahmen aber auch zur Linderung oder Beseitigung von Schmerzen, z.B. wenn ein Tumor auf eine Nervenbahn drückt, oder wenn aufgrund von Metastasen im Knochen ein Knochenbruch befürchtet werden muß.
(2) Die Strahlentherapie (Radiotherapie)
Sie kann nach einer Tumoroperation als zusätzliche Behandlung eingesetzt werden, um restliche Tumorzellen zu beseitigen und damit Metastasen vorzubeugen. Bei nicht operierbaren Tumoren kommt sie unter Umständen auch als alleinige Behandlungsmethode zum Zug, oder in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung. Das Ziel ist, den Tumor zu verkleinern oder dessen Wachstum zu bremsen.
Die Strahlentherapie kann auch zur Beseitigung oder Linderung von Schmerzen eingesetzt werden, z.B. wenn ein nicht operierbarer Tumor auf Nerven oder Hohlorgane (z.B. Blase) drückt. Ihr Vorteil ist, daß sei ganz gezielt auf eine bestimmte Körperstelle gerichtet werden kann. Die Strahlentherapie wird in der Regel ambulant durchgeführt, das beißt, man muß deswegen nicht hospitalisiert werden, jedoch während einer bestimmten Zeit täglich für ein bis zwei Stunden zur Bestrahlung in die Klinik gehen. Die eigentliche Bestrahlung dauert nur einige Minuten.
(3) Die medikamentöse Behandlung (Chemo- / Hormontherapie)
Chemo- und Hormontherapien werden in vielen Fällen zur Behandlung bzw. zur Vorbeugung von Metastasen durchgeführt. Vor allem, wenn sich bereits an mehreren Stellen des Körpers Metastasen gebildet haben, ist sie dafür die einzig mögliche Behandlungsmethode. Zur Behandlung von Schmerzen verfolgt sie die gleichen Ziele wie die Strahlentherapie: Sie kann Tumore bzw. Metastasen, die Schmerzen auslösen, verkleinern und deren Wachstum bremsen.
Bekämpfung der Symptome
Zusätzlich zur eigentlichen Tumortherapie können Schmerzen durch Schmerzmittel (Analgetika) gelindert oder beseitigt werden. Dabei kann das Symptom, nicht aber die Ursache behandelt werden. Ziel der Schmerztherapie ist idealerweise die völlige Schmerzfreiheit, was bei 80 bis 90% der Betroffenen erreicht werden könnte: Oft hindern Ängste, Vorurteile und mangelnde Information Betroffene und Angehörige, aber auch medizinische Fachleute, alle heute verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen.
Wenn völlige Schmerzfreiheit nicht erreicht werden kann, führt bereits eine Schmerzlinderung zu mehr "Lebensqualität" und damit zu mehr Lebensfreude und Lebensenergie. Wenn sie also unter Schmerzen leiden, lohnt es sich auf alle Fälle, sich mit den Behandlungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Ohne Schmerzen macht der Alltag mehr Freude, und man erhöht sich besser dank ungestörter nächtlicher Ruhe. Beim Einsatz der Schmerzmittel wird zwischen akuter und chronischen Schmerzen unterschieden.
Akute Schmerzen sind meist intensiv und relativ kurz.
Die Behandlung bewirkt eine rasche Behebung der Schmerzen. Allfällige Nebenwirkungen sind zweitrangig.
Die Wirkungsdauer ist begrenzt (meist zwischen 2 und 4 Stunden).
Das Medikament sollte nicht schläfrig machen (d.h. keine sedative Wirkung haben).
Chronische Schmerzen sind bei Krebskrankheiten jedoch häufiger. Neben der Beseitigung oder Linderung der Schmerzen steht die Verhütung (Prophylaxe) des Schmerzes im Vordergrund der Behandlung.
Um das Wiederauftreten der Schmerzen zu verhindern und die Nebenwirkungen gering zu halten, ist ein genauer Zeitplan für die Einnahme und eine Situation angepaßte Dosierung erforderlich.
Die Wirkungsdauer soll möglichst lang sein.
Das Medikament soll nicht schläfrig machen.
Schmerzmittel können in unterschiedlichen Formen und auf unterschiedliche Weise eingenommen werden.
Oral (über den Mund)
rektal (über den Enddarm)
mittels Spritze
mittels Infusion/Pumpe (Dauertropf)
Transdermal (über die Haut mittels Pflaster)
mittels Katheter, der unter die Haut (subcutan) liegt, der in die Vene (intravenös) oder in den Rückenmarkraum (peridural) führt und ständig kleinste Medikamentendosen abgibt.
Die bestmögliche Verabreichungsform hängt von vielen Faktoren ab, die im Gespräch mit Arzt oder Ärztin geklärt werden sollte.
Das A und O der Behandlung chronischer Schmerzen. Um die Schmerzen wirksam zu behandeln und das Wiederauftreten zu verhindern, ist es wichtig, daß die Medikamente
in der richtigen Kombination und Dosierung
rechtzeitig, d.h. bevor die Schmerzen wieder auftreten (Schmerzprophylaxe), und
regelmäßig, d.h. nach Zeitplan
Eingenommen werden. Das ist nur möglich, wenn der Arzt oder Ärztin über die Schmerzen, deren Wiederauftreten und Intensität informiert werden.
Bei der Medikation halten sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in der Regel an den Richtlinien der WHO (Weltgesundheitsorganisation), die ein dreistufiges Therapieschema vorsieht. Dabei wird erst, wenn die Behandlung in der ersten Stufe nicht mehr ausreicht, zur zweiten und dann zur dritten Stufe übergegangen.
Ziel dieses stufenweisen Vorgehens ist es unter anderem, eine Überbehandlung zu vermeiden, da mit jeder Stufe auch die Nebenwirkungen zunehmen können.
Medikamente der ersten Stufe werden bei Bedarf mit solchen er zweiten oder dritten Stufe kombiniert. Auch kortisonhaltige Präparate können bei bestimmten Schmerzarten allein oder in Kombination mit Medikamenten der zweiten oder dritten Stufe zum Einsatz kommen.
I) Erste Stufe (für schwache bis mäßige Schmerzen)
"Gewöhnliche" Schmerzmittel (peripher, d.h. an den Nervenenden wirkende Analgetika), z.B. Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Antirheumatika.
II) Zweite Stufe (für mittlere Schmerzen)
Schwach auf das zentrale Nervensystem wirkende Opiate, z.B. Codein, Tramadol. Sie werden meist in Kombination mit Medikamenten der ersten Stufe verabreicht.
III) Dritte Stufe (für starke bis unerträgliche Schmerzen)
Stark auf das zentrale Nervensystem wirkende Opiate, z.B. Morphin, Mundidol, Vendal.
Es gibt körperliche Schmerzen, die weder ursächlich beseitigt werden können noch auf eine medikamentöse Schmerztherapie ansprechen. In solchen Fällen wird man versuche, die Schmerzleitung (Nervenbahn) zu unterbrechen oder zu blockieren. Die Fachausdrücke dafür sind Neurolyse und Chordotmie. Solche Eingriffe sind in der Regel nicht mehr rückgängig zu machen. Nutzen und Folgen sollten daher gegeneinander abgewogen werden. Es ist auch möglich, die Wirkung dieses Eingriffs gewissermaßen zu testen, indem die entsprechende Nervenbahn vorübergehend blockiert sind.
Wichtig:
Die Schmerzen können nur behandelt werden, wenn der Patient sagt, daß es Ihm weh tut. Zähne zusammenbeißen nützt nichts, im Gegenteil: Es verkrampft und raubt die Lebensfreude. Der Patient, die Angehörigen, aber auch Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegende haben vielleicht Vorurteile gegenüber gewissen Medikamenten (z.B. Opiaten). Diese Vorurteile sind weitgehend überholt und dienen niemandem; denn die Schmerzen lassen sich dadurch nicht beseitigen.
Sprechen Sie mit dem Arzt, wenn die Schmerzbehandlung ungenügend erscheint. Holen Sie allenfalls eine zweite ärztliche Meinung ein oder bitten Sie Ihren Apotheker oder etwa Krebshilfe- oder Hospiz-Beratungszentren um Unterstützung.
Nebenwirkungen von Schmerzmedikamenten
Leider geht mit fast allen wirklich wirksamen Medikamenten ein gewisses Risiko an Nebenwirkungen einher. Onkologinnen und Onkologen (Spezialisten für die Behandlung von Krebserkrankungen) oder andere Fachpersonen mit breiter onkologischer Erfahrung verfügen über das nötige Wissen, um die erwünschte Wirkung und die erwünschten Begleiterscheinungen gegeneinander abzuwägen. Dadurch wird es möglich die optimale Medikation zu finden.
Das Ausmaß der Nebenwirkungen ist nicht bei allen Menschen gleich. Allgemeiner Gesundheitszustand, Krankheitsbild, usw. sind beeinflussende Faktoren.
Die Wirkungsweise – und damit auch die Nebenwirkungen – unterscheiden sich von Medikamentenstufe zu Medikamentenstufe.
Je besser man über die Behandlung im Bild ist, desto eher kann man auch mit den Nebenwirkungen umgehen.
Sind die Nebenwirkungen zu groß, können die Umstellung auf ein anderes Medikament oder andere schmerzlindernde Maßnahmen meistens helfen.
Häufigste Nebenwirkungen:
Magen-, Sodbrennen
Verstopfung (Obstipation
Übelkeit und Erbrechen
Mundtrockenheit, entzündete Mundschleimhaut, Schluckbeschwerden
Schlaflosigkeit, Müdigkeit
Blutarmut oder Blut im Stuhl
Andere Nebenwirkungen; Schwindel, Verwirrtheit, Atemschwierigkeiten, starkes Schwitzen, Ödeme (Wasser in Armen oder Beinen),
Morphin ist eine Substanz, die aus dem Milchsaft der Schlafmohnkapsel gewonnen wird. Dieser Saft wird Opium genannt und wurde schon in der Antike – seit mindestens 2500 Jahren – als ein wirksames Schmerzmittel verwendet. Morphin und ähnliche Substanzen, die aus Opium gewonnen werden, nennt man Opiate. Seit es reines Morphin gibt (seit 1806), ist es eines der meistverwendeten Schmerzmittel und das Referenzprodukt für alle neueren Substanzen. Opiate sind Schmerzmittel, die eine gleiche oder ähnliche Wirkung wie Morphin haben und heute auch synthetisch hergestellt werden.
Opiate sind einerseits als Schmerzmittel, andererseits als Rauschmittel bekannt. Diese unheilige Allianz verunsichert viele Menschen, weil Opiate eben auch mißbräuchlich verwendet werden können. Um dieses Risiko zu senken, werden Opiate nur unter strenger Kontrolle abgegeben. Viele Menschen, darunter auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonen, haben Vorurteile und Angst vor dessen Verschreibung als Schmerzmittel. Viele an Schmerzen leidenden Patientinnen und Patienten bekommen daher oft erst sehr spät und nach unnötiger Leidenszeit eine optimale Schmerzbehandlung
Die gängigen Vorurteile – und die korrekten Antworten darauf.
a) Angst vor Nebenwirkungen
"Lieber beiße ich auf die Zähne, als daß ich mir Morphin verschreiben lasse und eventuelle Nebenwirkungen in Kauf nehme".
Heftige Schmerzen schaden den Patienten zweifellos mehr als allfällige Nebenwirkungen, die zudem gut behandelbar sind. Schmerzen rauben viel Kraft und nehmen den Lebensmut. Das Vorurteil gegenüber starken Nebenwirkungen stammt aus früheren Zeiten, als morphinhältige Präparate (Spritzen) in zu hohen Dosen und erst nach Wiederauftreten der Schmerzen verabreicht wurden.
b) Angst vor Sucht und Abhängigkeit
"Wenn ich Morphin einnehme, werde ich süchtig".
Der Körper "gewöhnt" sich nach länger dauernden Einnahme an das Medikament, weil die Leber das Medikament schneller abbaut. ‚deshalb muß die Dosis mit der Zeit angepaßt werden, um dieselbe Wirkung zu erhalten. Wenn die Schmerzen grundsätzlich nachlassen oder durch eine andere Behandlung behoben werden können, kann das Medikament problemlos abgesetzt werden. Dabei wird die Dosis schrittweise bis auf Null reduziert.
Mit Sucht hat dies nichts zu tun; man nimmt das Medikament ja nicht, um sich kurzfristig in einen euphorischen Rausch zu versetzen. Man nimmt es nach einem festen Zeitplan, bevor die Schmerzen wieder einsetzen. Das Verlangen nach Schmerzlinderung kommt somit gar nicht erst auf. Aus diesem Grund werden kaum je Menschen aufgrund einer (Krebs-) Schmerzbehandlung süchtig.
Im Unterschied zu Süchtigen, die Morphin spritzen, damit es rasch "einfährt", werden ‚Schmerzmedikamente nach Möglichkeit oral eingenommen, d.h. sie werden geschluckt. Das Medikament gelangt auf diese Weise nicht in einem einzigen Schub in das Nervensystem, sondern wird allmählich freigesetzt. Diese Form der Einnahme eignet sich nicht, um Rausch zu erzeugen.
c) Angst vor der steigenden Dosis
"Wenn die Wirkung des Morphins zurückgeht, brauche ich mit der Zeit Unmengen von diesen Medikamenten, um die Schmerzen wirksam zu bekämpfen".
Es stimmt zwar, daß die Dosis im laufe der zeit unter Umständen erhöht werden muß, ohne daß eine obere Grenze besteht. Oft kann sie aber auch reduziert werden. Morphin wird aber nicht plan- und ziellos verabreicht. Anpassungen und Änderungen dürfen nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Dosis und Zeitintervall werden individuell auf jede Person eingestellt.
d) Angst vor Schläfrigkeit oder Gleichgültigkeit
Die moderne oralen (durch den Mund verabreichten) Morphinpräparate zur Prophylaxe und Therapie von heftigen Schmerzen werden in einer Dosis verabreicht, die das Bewußtsein nicht zu trüben vermag.
Ziel der Schmerztherapie ist einerseits Schmerzlosigkeit, anderseits soll sie so angelegt sein, daß die Betroffenen wach, munter und kommunikationsfähig bleiben.
e) Angst vor der Meinung Angehöriger
"Was wird meine Familie denken, wenn ich Morphin nehme?"
Auch die Angehörigen brauchen aktuelle und richtige Informationen über die Behandlung der Schmerzen. Geben Sie Ihnen eine Broschüre über Schmerz und Schmerztherapie zu lesen. Vergessen Sie aber nicht, daß Sie, und nicht Ihre Angehörigen Schmerzen haben.
f) Angst vor der Strafe Gottes
"Wenn ich die Schmerzen ertrage, kann ich für meine Sünden büßen".
Sprechen Sie mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin darüber. Glaubensfragen sind eine sehr persönliche Angelegenheit, und oft scheiden sich die Antworten an der Frage, ob man eher an seinen strafenden oder an einen versöhnenden Gott glauben will.
g) Angst vor dem baldigen Tod
"Wenn mir der Arzt Morphin verschreibt, geht es bestimmt dem Ende entgegen".
Morphin wird nicht nach dem Krankheitsstadium, sondern nach der Schmerzintensität eingesetzt. Es beeinflußt die Krebsbehandlung oder das Krebswachstum in keiner Weise. Wenn Sie Dank Morphin weniger Schmerzen leiden, können Sie in besserer Verfassung gegen die Krankheit ankämpfen.
Der Tod gehört allerdings zum Leben. Obwohl heute fast die Hälfte der Krebskranken geheilt werden können, so bleibt doch die andere Hälfte, bei denen das Leiden früher oder später zum Tod führt. Es ist möglich aber nicht zwingend, daß in den letzten Lebenstagen die Schmerzen besonders intensiv sind und die Morphingabe stark erhöht werden muß, um ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen.
Was wir denken und fühlen, spielt sich nicht unabhängig von unserem Körper ab. Körperliche Vorgänge wiederum haben auch Einflüsse auf unser seelisches Befinden. Krebs- oder die Vorstellung, die wir davon haben – belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele, die Psyche. Auch sie kann leiden und wehtun. Seelische Schmerzen können körperliche verstärken und umgekehrt. Zu einer guten Schmerzbehandlung gehört deshalb auch, daß man die Seele hört und versucht, sie zu entlasten, wenn man bedrückt ist.
Unterstützende Maßnahmen zur Schmerzbehandlung
Körperliches und seelisches Wohlbefinden sind die Hauptziele einer Schmerztherapie. Zusätzlich zur eigentlichen Schmerzbehandlung sind verschiedene unterstützende Maßnahmen möglich. Es kommen sowohl auf den Körper ausgerichtete (physikalische) als auch auf die seelische Verfassung wirkende (psychotherapeutische) Methoden in Frage. Oft fließt sie auch ineinander über und wirken zusammen harmonisierend.
In jeden Fall mit dem Arzt oder Ärztin besprechen, da bestimmte Therapien in gewissen Fällen mehr schaden als nützen. Bisherige positive Erfahrungen in einem anderen Zusammenhang lassen sich nur selten auf die Behandlung von Krebsschmerzen übertragen.
Welche Methode geeignet ist, hängt von dem Krankheitsbild, der Art des Schmerzes, aber auch von den Vorlieben ab. Man soll sich keinen Zwang antun.
Viele ärztlich verschriebene Physio- oder Psychotherapien werden von den Krankenkassen ganz oder teilweise übernommen. Erkundigungen soll man vorher einholen. Information an allfällige Therapeutinnen oder Therapeuten über die Krebserkrankung, damit sie die beste Therapie entsprechend anpassen können.
Vorsicht vor Therapien, die zu überhöhten Tarifen Wunderwirkungen anpreisen; die Enttäuschung ist vorprogrammiert!
Bedenken Sie, daß ...
... diese Methoden die Schmerzen für einen erträglicher machen, daß sie aber kaum je die eigentliche Schmerzbehandlung zu ersetzen vermögen. ... die schmerzlindernde Wirkung meist nur von kurzer Dauer ist.
... die bei einem wirksamste Maßnahme nur durch Ausprobieren gefunden werden kann.
Vorteile
Sie sind – mit Ausnahme der Lymphdrainage, Physiotherapie und der Akupunktur – einfach auszuführen und können sowohl zu Hause als auch im Spital angewandt werden.
Die verschiedenen Methoden sind kombinierbar.
Zum Teil verlangt man von einem wenig Eigenaktivität und sind darum auch geeignet, wenn man sich schwach fühlt.
Man kann sich selber damit etwas Gutes tun und auch den Angehörigen und Freunden Gelegenheit geben, einen zu verwohnen.
(a) Lymphdrainage
Eine sehr differenzierte, wohltuende Massage, die im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung unbedingt in die Hände von speziell ausgebildeten Fachleuten gehört. Sie kann Stauungen (Ödeme) entgegenwirken und den Abtransport von Schlacken und Giftstoffen aus dem Gewebe beschleunigen.
(b) Kältepackungen /-wickel
Sie können Entzündungen und Schwellungen reduzieren. Durch das Auflegen von Eis können Muskeln und Gelenke während einiger Zeit schmerzfrei werden, was beispielsweise vor einer Physikotherapie wünschenswert sein kann.
(c) Wärmepackungen /-wickel, warme Bäder
Sie wirken gefäßerweiternd und dadurch durchblutungsfördernd. Ein warmes Bad mit entsprechenden Kräutern angereichert (z.B. Rosmarin) kann sehr beruhigen.
Keine wärmenden Maßnahmen bei akuten Entzündungen oder bei Ödemen!
Kein heißes Bad bei ausgeprägter Herzschwäche!
(d) Einreibungen / Massagen
Es ist sehr wohltuend und entspannend, sich ein gut riechendes Kräuteröl einreiben zu lassen. Verbunden mit einer leichten, gekonnten Massage erhöht sich das Gefühl von Wohlbefinden. Durch sanfte Berührungen ist auch ohne Worte eine Begegnung möglich.
Keine Massage bei Hautkrankheiten, Venenproblemen - Thrombosegefahr!
(e) Andere Körpertherapien
Methoden wie Akupunktur, Akupressur, Shiatsu, usw. können bei verschiedenen Schmerzen (z.B. Migräne, Nackenschmerzen) wirkungsvoll sein; zur Behandlung von Krebsschmerzen reichen sie nach bisherigen Erfahrung nicht aus. Akupunktur ist eine medizinisch anerkannte Methode. Sie gehört in die Hände von Fachleuten.
Fragen an den Arzt oder die Ärztin:
Man soll sich schon zu Hause überlegen, was man dem Arzt oder der Ärztin bei der nächsten Konsultation bezüglich der Schmerzen fragen will. Die Fragen soll man aufschreiben, damit einem in der Sprechstunde nicht plötzlich das Wichtigste entfällt.
Zum Beispiel: Was kann ich tun, ...
... wenn die Schmerzen vor der Einnahme der nächsten Dosis einsetzen? Darf ich die Dosis von mir aus erhöhen?
... wenn die Schmerzen in der Nacht auftreten und mich aus dem Schlaf wecken?
... wenn ich vergessen habe, die Medikamente zu nehmen?
... wenn die Schmerzlinderung ungenügend ist?
"Ich möchte zusätzlich etwas für mein Wohlbefinden tun. Könnten Sie mir eine physio- oder psychotherapeutische Maßnahme verschreiben?
In den allermeisten Fällen können die durch Krebs verursachten Schmerzen ausgeschaltet werden. Am wirkungsvollsten ist es, wenn man sie gar nicht erst aufkommen lassen. Nehmen Sie darum die Schmerzmittel nicht erst, wenn es (wieder) wehtut, sondern schon vorher, genau nach Zeitplan.
Fürchten Sie sich nicht vor Nebenwirkungen. Auch sie können behandelt werden.
Sie kennen Ihre Schmerzen am Besten. Zögern Sie nicht, Ihren Arzt oder Ihre Ärztin darüber ins Bild zu setzen und eine auf Sie abgestimmte Schmerzbehandlung zu verlangen. Je genauer Sie Art und Aufkommen Ihrer Schmerzen beschreiben können, desto besser kann Ihnen geholfen werden.
Falls die Schmerzbehandlung nicht ausreicht oder die Nebenwirkungen zu stark sind, kann fast immer auf andere Medikamente gewechselt werden.
Haben Sie keine Angst vor Morphin. Zur Schmerzbehandlung verabreichtes Morphin macht nicht süchtig und verkürzt nicht das Leben. Schmerzen müssen nicht sein!!!
Eine nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfolgte Studien zeigt, daß Schmerzen bei Krebs wirkungsvoll behandelt werden können.
87% der Betroffenen lebten dank der Behandlung schmerzfrei.
Bei 9% konnte eine zufriedenstellende Schmerzkontrolle erreicht werden.
Lediglich bei 4% war die Schmerzbehandlung nur teilweise erfolgreich.
Österreichische Krebshilfe Steiermark; Plüddemanngasse 51/V/28 A-8010 GRAZ ( 0043 (316) 47 44 33 0
Hospiz-Verein Steiermark; Kirchbergstraße 18 A-8044 GRAZ ( 0043 (316) 39 15 70
Schmerzambulanz am LKH-GRAZ; I.Chirurgie, Auenbruggerplatz A-8036 GRAZ ( 0043 (316) 385 43 13 Mo-Fr: 7.30 – 15.00 Uhr
last update: August 2001