Patientenverfügung
von OA Dr. Traudgundis Kaiba
Die Sorge, die moderne Medizin könnte den Sterbeprozeß unnötig hinaus - zögern, auch wenn keine Aussicht auf Besserung besteht und die zunehmende Diskussion für und gegen Aktive Sterbehilfe läßt viele Menschen mehr und mehr über die eigenen Wünsche in bezug auf ihr Lebensende nachdenken.
Immer wieder kommen Anfragen dieser Art, insbesondere, wenn im eigenen Freundes – oder Familienkreis Schwerkranke oder Sterbende eine Entscheidung herausfordern.
Nicht immer wird im Sinne des Patienten entschieden – weder von seiten der Angehörigen noch von seiten der Ärzte – insbesondere dann nicht, wenn der Wille des Patienten nicht bekannt ist und der Patient sich selber nicht mehr äußern kann.
Eine Möglichkeit, die eigenen Wünsche für und gegen bestimmte medizinische Maßnahmen vorrausschauend zum Ausdruck zu bringen, ist die Patientenverfügung.
Im ersten Teil dieses
Beitrags sollen Grundinformationen vermittelt werden, die als Basis
für die Diskussion über eine Patientenverfügung dienen
können.
Im zweiten Teil wird auf die Möglichkeiten der Formulierung und
auch auf die manchmal schweren Entscheidungen in der Erfüllung
einer Patienten –verfügung eingegangen.
Für das
Verständnis der Formulierung und Auswirkung einer
Patientenverfügung ist es wichtig, sich zunächst den
Unterschied zwischen entscheidungsfähigem Patienten und
nichtenstcheidungsfähigem Patienten deutlich zu machen, da die
Patientenverfügung besonders beim nichtentscheidungsfähigen
Patienten wirksam werden kann – solange der Patient geistig
entscheidungsfähig ist und sich mündlich oder schriftlich
äußern kann, steht dieser geäußerte Wille
über der schriftlichen Verfügung.
Dies ist besonders zu betonen, da viele Menschen Bedenken haben,
daß einerseits ein einmal schriftlich festgelegter Wille nicht
mehr widerrufen werden kann, andererseits eine mündlich
geäußerte Entscheidung, die im Gegensatz zur schriftlichen
Verfügung steht, vielleicht nicht akzeptiert wird.
Der entscheidungsfähige Patient :
Jeder Mensch hat das
Recht, über medizinische Maßnahmen selber zu entscheiden,
solange er in der Lage ist, seinen Krankheitszustand, den
Krankheitsverlauf und die Therapiemöglichkeiten mit dem
behandelnden Arzt zu besprechen.
Man nennt dies das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.
Ein Patient muß
für eine Behandlung seine Einwilligung geben oder er kann die
Behandlung verweigern – diese Entscheidung muß der Patient
selber treffen und niemand kann ihm diese Entscheidung abnehmen.
Nach ausführlicher Beratung durch den Arzt ist die Entscheidung
des Patienten, welcher Untersuchung und Behandlung er zustimmt oder
welche er ablehnt, rechtlich verbindlich.
Der Arzt muß dieser Entscheidung folgen, auch wenn er sie persönlich nicht teilt.
Kein Patient darf gegen seinen Willen behandelt werden.
Dies ist auch gültig, wenn ein Eingriff medizinisch dringend
notwendig wäre und der Patient ohne ihn sterben würde.
Wenn ein Patient nach
entsprechender Aufklärung durch den Arzt in Kenntnis aller Folgen
eine ärztliche Behandlung ablehnt, endet nicht nur die Pflicht,
sondern auch das Recht des Arztes zur Behandlung.
Eine ärztliche Maßnahme gegen den Willen des Betroffenen ist
nicht zulässig und als „ eigenmächtige Heilbehandlung
„ strafbar.
§ 110 des Strafgesetzbuches : Eigenmächtige Heilbehandlung
Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln
der medizinischen Wissenschaft, behandelt, ist mit einer
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360
Tagessätzen zu bestrafen.
§ 22 Abs. 1 des Ärztegesetzes : Ärzte/innen sind dazu verpflichtet, die nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung dem Wohl des Kranken dienende Maßnahme zu setzen. Bestehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten, ist dem Wunsch des Patienten zu folgen, selbst wenn dieser nur allgemein oder schwer verständlich formuliert wurde.
§ 5a B – KAG,
BGBI 1993/801 : Krankenanstaltenträger haben unter Beachtung des
Anstaltszwecks und des Leistungsangebots ein würdevolles Sterben
sicherzustellen.
Daraus kann abgeleitet werden, daß verlöschendes Leben nicht
mit allen verfügbaren Mitteln der Medizin zu erhalten ist.
Insbesondere nicht gegen den erklärten Willen Betroffener.
Der nichtentscheidungsfähige Patient
Wenn jemand im Verlauf
einer schweren Krankheit oder durch eine notwendige medikamentöse
Behandlung nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu
äußern, wenn jemand bewußtlos in ein Krankenhaus
eingeliefert wird oder auch verwirrt ist, kann er weder aufgeklärt
werden noch in eine Behandlung einwilligen.
In dieser Situation müssen andere Personen für den
Betroffenen entscheiden oder eine Patientenverfügung liegt als
Entscheidungshilfe vor.
Angehörige haben von Gesetz wegen prinzipiell keine Entscheidungsbefugnis.
Wenn der Patient nicht vor dem Verlust seiner
Entscheidungsfähigkeit einer Auskunftserteilung zugestimmt hat,
dürften Angehörige von Gesetz wegen nicht einmal näher
vom Arzt über den Krankheitszustand informiert werden.
Angehörige können aber dem Arzt mündlich oder
schriftlich geäußerte Wünsche des Patienten
bezüglich möglicher ärztlicher Maßnahmen
mitteilen, die der Arzt bei seiner Behandlungsentscheidung
berücksichtigen kann.
Bei länger dauernder Unfähigkeit, seinen Willen zu äußern, muß – sofern kein Bevollmächtigter in Gesungheitsangelegenheiten angegeben wurde – ein Sachwalter bestellt werden, der im Rahmen der Personensorge die notwendige Entscheidung zu treffen hat.
Wenn die Bestellung eines Sachwalters wegen der Dringlichkeit der medizinischen Maßnahmen nicht mehr möglich ist – was bei Krankheiten im Endstadium oft der Fall sein wird – so ist der mutmaßliche Wille des Patienten für die weitere ärztliche Behandlung maßgebend.